Wandern, für Radfahrer immer gefährlich???
Eigentlich wollten wir keinen Extra-Wander-Bericht in den 3 Wicked-Wochen, sondern nur einen Gesamt-Wicked-Post. Jetzt aber wurde eine Wanderung im NP Los Alerces doch so erlebnisreich, dass wir die Geschichte einfach loswerden wollen und müssen.
Der NP Los Alerces befindet sich im Nordosten der Provinz Chubut im argentinischen Teil Patagoniens und liegt durchschnittlich 900 Meter über dem Meer. Durch die hohen Niederschläge, der Park zählt zu den niederschlagsreichsten Gegenden der Erde, wächst im gesamten westlichen Teil valdivianischer Kaltregenwald mit baumhohen Bambus und verschiedenen Laub- und Nadelbäumen. Herausragend sind die sogenannten Alerces, die dem Park den Namen geben. Dabei handelt es sich um eine extrem langsam wachsende und sehr langlebige Zypressenart. Das Alter der ältesten Bäume im Park wird auf etwa 3000 Jahre geschätzt.
Für Touristen ist nur ein beschränkter Teil des Parks zugänglich, der übrige Teil ist der Forschung vorbehalten. In dem touristischem Teil befinden sich wenige Wandermöglichkeiten. Eine Davon wollten wir unternehmen. Gute 14Km lang, etwa 1200 Höhenmeter und geplante Dauer von etwa 7 Stunden. Früher mal als Kreis zu laufen heute ist leider die 2. Hälfte durch einen Virenbefall gesperrt. Aufgrund der Länge und des höchsten Schwierigkeitsgrades muss man sich vor 10:00 Uhr bei der Parkverwaltung für die Tour registriert haben und gestartet sein.
Beim Start am Morgen hatten wir besten Bedingungen, Sonne, blauer Himmel nur leichter Wind. Bedingungen die seit Monaten hier herrschen. Über 3 Monate ohne Regen sind höchst ungewöhnlich für den Park, aber irgendwie typisch für ein El Niño-Jahr. Und 2015 ist ein Solches! Der Rest lässt sich als Text für uns nicht in Worte fassen, darum haben wir mit vielen beschrifteten Bildern eine Bildergeschichte gemacht. Startbild ist unsere „Wanderkarte“.
Unsere Wanderkarte. Route Nr. 7 ist das Ziel. Leider ist die Route ab dem höchsten Punkt gesperrt. Man muss also hin und her laufen. Etwa 14 km und 1200 m rauf und wieder runter.
Am Anfang geht es durch vertrockenete Bambuswälder. Teilweise sehr steil bergauf. Schliesslich ist es die höchste Schwierigkeitsstufe in Los Alerces.
Der Bambus steht bis dicht an den Weg und teilweise sogar darauf. Später geht es in einen Laubwald über. Davon haben wir nur kein Bild 😉
Nach dem Laubwald folgt die Buschregion. Langsam wachsende „Bonsai-Bäume“, selten grösser als wir.
Allerdings gibt der Bonsaiwald den Blick auf den schöne See frei. Ein Blick herrlicher als der Andere. Der Aufstieg lohnt.
Nach den Bonsais bleibt die Vegetation komplett aus und wir laufen über Geröll. Teilweise geht es kräftig runter, neben dem Weg. Für Holländer und Norddeutsche fast schon unheimlich.
Kurz vor dem Gipfel endlich die versprochene, erfrischende Quelle. Bestes Wasser um die Trinkflasche wieder zu füllen.
Die Hälfte ist geschafft. Wir freuen uns darüber. Radfahrerbeine lieben radfahren und nicht bergsteigen. Es geht aber erstaunlich gut.
Vor dem Abstieg noch ein schickes Steinmännchen gebaut.
Und kurze Pause mit deftiger Stulle. Der Abstieg steht an.
Nach etwa einer Stunde des gemütlichen Abstiegs entdecken wir Rauch und wenig später haben wir diesen Anblick.
Schnell wird klar, unser erster Gedanke „jemand verbrennt seinen Autoreifen“ ist falsch. Der Wald brennt. Der Wind weht genau in unsere Richtung und wir erinnern uns an die Aussage „über 3 Monate kein Regen hier in Los Alerces“. Ein ungutes Gefühl steigt in uns auf. Wir beobachten das Feuer ein paar Minuten und müssen erkennen, es breitet sich erschreckend schnell aus.
Die hohen Flammen tragen nicht zur Beruhigung bei. Unser Weg führt irgendwie in die Richtung. Wir diskutieren was wir tun wollen. 3 Möglichkeiten: 1) wir steigen schnellstmöglich auf diesem Weg ab 2) wir steigen auf zur Quelle und warten/hoffen auf „Rettung“ 3) wir steigen auf und steigen über den gesperrten Trail ab.
Die Entscheidung fällt auf den gesperrten Trail. Der Wind spricht dafür, dass der untere Trail erst spät vom Feuer betroffen sein sollte. Waldbranderfahrungen haben wir natürlich nicht. Nur Logik und Verstand, das muss heute reichen. Wir müssen also wieder hinauf, das Feuer so oft wie möglich im Blick.
Oben bei der Quelle sind jetzt auch die Rauchwolken deutlich sichtbar. Etwa 50 Minuten haben wir hierhin benötigt.
Von der Quelle geht es noch ein unangenehmes Stück bis zum Kamm hinauf. Oben steht tatsächlich ein „gesperrt“. Das ignorieren wir, natürlich. Der Rauch zeigt eine stabile Windrichtung und sollte uns den unteren Weg freihalten.
Der gesperrte Trail ist zum Glück noch beschildert. Häufig leider schlecht, aber es hilft den Weg zu finden. Ohne diese Hinweise ginge wertvolle Zeit verloren.
Trotzdem ist der Rauch beängstigend.
Es geht wieder durch vertrocknete Bambuswälder. Schnell ist klar, die würden verdammt gut brennen. Wir sollten nicht trödeln.
Dann wird klar warum der Trail wirklich gesperrt ist, der Weg ist durch viele umgestürzte Bäume eine wahre Herausforderung und teilweise nur schwer zu erkennen.
Wir müssen klettern, krabbeln und immer sehr vorsichtg sein. Eine Verletzung können wir jetzt nicht gebrauchen.
Der Weg fordert wirklich viel. Der Zeitdruck macht es nicht einfacher. Richtig unangenehm ist jetzt: Wir sehen das Feuer und auch den Rauch nicht mehr. Der Wald ist so dicht, dass kein Ausblick mehr möglich ist.
Ausserdem hat Niko Knieprobleme, was beim Abstieg nicht wirklich hilft. Ein Bambusstock als „Gehstock“ leistet erstaunlich Unterstützung. Trotzdem drängt die Zeit. Mittlerweile hören wir schon Löschhubrauber direkt über uns fliegen. Der vertrocknete Bambus wirkt häufig wie Rauch. Wir sind da manchmal nicht ganz sicher, die Zeit dies genau zu betrachten nehmen wir uns aber nicht.
Es liegt so unfassbar viel absolut trockenes Holz herum. Bester Nährboden für einen Waldbrand.
Dann sind wir uns nicht sicher, aber wir hören Stimmen. Nur von wo?? Der Weg führt weiter, scheinbar Richtung Feuer, uns fehlt die Linksabbiegung. Wir fragen uns was wir tun sollen, sollten Flammen vor uns auftauchen. Zurück? Bergab nach links durchs Dickicht?? Zurück zum kleinen Bach und diesen folgen?? Eine etwas wackelige Situation, aber wo kommen diese verdammten Stimmen her? Oder haben wir uns diese eingebildet??
Dann die Linksabbiegung mit dem Hinweis zum Dorf. Wir folgen und „fallen“ quasi aus dem Wald in eine Lichtung. Ein paar Bilder trauen wir uns noch, dann werden wir von einem Ranger eingesammelt. „Seid ihr die Deutschen??“
Unser Ranger vom Morgen begrüsst und küsst uns vor Erleichterung, und das immer wieder. Jetzt wird auch uns die wahre Gefahr bewusst. Glück haben wir gehabt und vielleicht die einzig richtige Entscheidung getroffen. So sehen es hier Alle. Unser Aufstiegsweg steht jedenfalls in Flammen. Wir waren etwa 9 Stunden unterwegs.
So nah waren wir noch nie dran. Der Wald brennt und das Feuer überbrückt durch den Funkenflug viele Meter. Wir schätzen bis zu hundert. Jetzt verstehen wir auch wie man vom Feuer eingekesselt werden kann.
Etwa 30 Minuten nachdem wir vom Ranger geküsst wurden, brennt es auch auf unserem Abstieg. Nochmal wird klar, richtige Entscheidung und Glück brauchen wir beim Wandern.
Die Flammen rücken auch dem NP-Dorf auf die Pelle. Löschflugzeuge und Helikopter scheinen auf verlorenem Posten.
Der nahegelegene See ist sicher ein Vorteil, aber 2 Helikopter und 2 Löschflugzeuge tun sich wirklich schwer. Aus unserer ahnungslosen Sicht fehlt Struktur.
Aus sicherer Position ist es nun für uns ein wirklich spektakuläres Schauspiel. Leider kostet es verdammt viel alten Wald.
Die Flammen sind so nah, wir können sie hören und fühlen die Wärme.
Durch die Nähe der Flammen wird die Gewalt des Feuers spürbar, wieder sind wir froh nicht mehr im Wald zu sein.
Irgendwann wird es der Polizei zu riskant und alle die nicht Feuerwehr oder Nationalpark sind müssen die Region verlassen. Darauf haben wir schon lange gewartet. In Deutschland wäre dies schon viel früher passiert.
Wir verlassen den unmittelbaren Gefahrenpunkt, die Flugzeuge bleiben.
Wir dürfen im Nationalpark übernachten. Müssen allerdings in einen kilometerentfernten Campingplatz. Auf der anderen Seeseite wird das Ausmass des Brandes nochmal deutlich. Unser Wanderweg ist komplett weg.
Am nächsten Morgen riechen wir den Rauch auch in 40km Entfernung. Die Masse des Rauches erstaunt uns und macht uns sicher, die Flucht nach oben wäre nicht gut gewesen.
Der Anblick ist für uns gewaltig. Die Wolke ist Rauch.
Zum Verlassen des NP können wir den Brandberg nochmal betrachten. Das Feuer ist da, wenn auch kleiner. Der Wald ist quasi weg und der Park wird für Besucher erstmal gesperrt. Sicher war gut, wir waren zu keiner Zeit nervös oder gar hektisch/panisch. Sondern eher ruhig, einigermassen überlegt aber doch zügig und um Eile bemüht.
Der letzte Blick. Von grosser Entfernung sieht es fast schick aus, wir sind froh die Geschichte jetzt hinter uns zu lassen. Warum haben wir noch Bilder gemacht?? Gute Frage, Niko hatte die Kamera einfach die ganze Zeit in der Hand und Kniepausen oder umgefallene Bäume geben etwas Zeit. Der Rest war einfach Automatismus.
Puh, da wird einem ja selbst mit Monaten Abstand noch schwummrig, trotz des Wissens, dass es gut ausgegangen sein muss, sonst gäbe es den Blogeintrag nicht. Im Nachhinein Glückwunsch, dass Ihr noch Bilder gemacht habt, sie sind eindrucksvoll und beängstigend. DIe Lichtung ist auch als Einzelbild außerhalb der Geschichte super. Wenn es eng wird, denke ich leider nicht mehr ans Fotografieren – im Nachhinein vermisse ich dann die Doku des Abenteuers.
Für überzeugte Norddeutsche, die sogar den Fitz Roy links (nein, in dem Fall rechts) liegen lassen, habt Ihr aber genau die richtige Tour ausgesucht, selbst ohne Waldbrand. Hut ab.
Das war auch wirkluch heiss und kribbelig. Wie eng das war, haben wir zum Glück erst in der NP-verwaltung verstanden.
Ihr beiden lasst aber auch gar nichts aus auf Eurer Tour. Ich hoffe, ihr habt weiter immer den richtigen „Riecher“. Vielleicht bewahrt ja Nicos Shirt von Celtic Glasgow Euch vor Unheil. Weiterhin alles Gute
Hallo Ihr beiden,
bei dem Betrachten Eurer Bilder bekomme ich so ein Zugvogelgefühl in der Magengegend. Wunderschön. Genießt diese Momente. Danke das ihr mich und andere daran teilhaben lasst. Ich wünsche Euch eine gute Kondition, viel Gesundheit und Durchhaltevermögen bei den schwierigen Passagen. Liebe Grüße Micha
Hallo Ihr beiden,
als ich Eure fb-Bilder gesehen hatte, dachte ich: na, da habt Ihr wohl ein Feuer gesehen. Ich komme erst heute dazu den Blog zu lesen. Ein Glück, daß Ihr mit heiler Haut davon gekommen seid. Wir wünschen Euch, daß Ihr Eure Abenteuer immer mit gutem Ende übersteht, wenn auch das nächste Mal mit eine bißchen weniger Kollateralschaden, bitte. (Was habt Ihr eigentlich gegen Campingbusblogs? Ich finde, davon kann es nicht genug geben 😉 )
Liebe Grüße von Juddi & Al
Leute, gehts noch ??? Verdammt viel Glück gehabt! So ne Ruhe kann nur nen Nordlicht mitbringen. Aber echt, die Pinguine habe ich lieber betrachtet.
Also bitte keine so extremen Abenteuer mehr, sonst gibts nur noch Pauschalreisen :-))
PS: Bin froh, dass es Euch gut geht!
Puh! Bitte weniger solcher Geschichten, das halten meine Nerven nicht aus! Gut, dass es euch gut geht!!! Bin erleichtert!
Herrje, ich habe beim (Bilder-)Lesen voll die Gänsehaut bekommen…Ihr seid wirklich taff und habt in dieser schwierigen Situation die richtige Entscheidung getroffen. Jetzt wünsche ich euch für den Rest eures Trips wirklich ruhigere Fahrwasser und allseits sichere Straßen (Wege).
Manno, da habt Ihr aber Schwein gehabt.
Die Bilder sind beeindruckend schön und gefährlich.
Übrigens schöne Grüße von Manni (VE), mit dem hab ich mich getroffen.
Hab Ihm auch Eure Seite weitergeleitet.
Tina und ich drücken euch unsere Bewunderung aus.
Oha. Da bin ich aber froh, von diesem guten Ausgang zu hören. Kann man ja aber drauf verzichten als Erlebnis.
In einem von Tildas Kinderbüchern heißt es: „Wer etwas erleben will, darf nicht feige sein.“ Da habt ihr euch nichts vorzuwerfen!
So was muss ich echt nicht noch mal erleben. Uns auf meinem Muskelkater könnte ich auch verzichten
Wenn jemand eine Reise tut,
So kann er was verzählen.
D’rum nahm ich meinen Stock und Hut
Und tät das Reisen wählen.
Das war ja wohl wirklich knapp!
Mannmannmann: Sehr froh zu lesen, dass es so (gut) ausgegangen ist!
Wir atmen auch immernoch tief durch und werden jetzt ein paar Biere darauf trinken.