Plötzlich Kuba
So richtig konnten wir es nicht glauben als Phillip sagte er wolle Miekes jetzt nicht mehr wiedersehen, jedenfalls nicht mit dem Handgelenksproblem. Tatsächlich waren die Probleme erheblich kleiner geworden und die Testfahrten durch das regennasse Köln verliefen erstaunlich vielversprechend. Phillip war überzeugt die Heilung würde jetzt ihren Weg alleine finden und Miekes neuer Lenker am Tandem brachte zusätzliche Verbesserung. Ein paar Wochen Zeit hatten wir noch und die galt es zu nutzen, allerdings würde die Zeit nicht für unsere angedachte Strecke in Afrika reichen, zudem war dort jetzt Hochsommer und die Temperaturen schon übertrieben hoch. Irgendwie kam dann plötzlich Kuba in unsere Köpfe. Mit etwas Glück steht Kuba vor einer deutlichen Annäherung an die USA und das würde das jetzige Kuba sicher nachhaltig verändern, jetzt war also noch einen spannende Zeit für Kuba. Klimatisch zum Radfahren im Januar bis April ohnehin sehr gut entschieden wir uns für 55 Tage Kuba. Wir buchten einen Flug nach Varadero, dem touristischem Badeort in der Nähe von Havanna.
Angekommen am Flughafen bauten wir mit grosser Vorfreude das Rad zusammen und lagerten unseren Fahrrad-Karton bei einem freundlichem Herren im Fundbüro gegen 10 CUC ein. Wie sinnvoll das war, wird sich sicher noch am Ende der Reise herausstellen. Wir hatten nur vor der Reise gehört in Kuba wären selbst feste Kartons schwer zu bekommen. So nutzten wir das Angebot und werden bei Abflug sehen ob es funktioniert hat. Kurz danach starteten wir unsere ersten Meter auf dem Tandem nach einer langen Pause und dieser Meter waren ein Hochgenuss, endlich wieder beschwerdefrei auf dem Rad, ein leichter Sommerwind im Rücken und die wärmende Sonne im Gesicht, mehr konnten wir wirklich nicht verlangen. An diesem Tag fuhren wir noch bis nach Matanzas, einer kleiner Stadt unweit von Havanna in der wir 2 Nächte einplanten um den Jetlag zu verdauen. Matanzas ist sicher kein Highlight einer Kubareise, gibt aber doch einen sehr guten Vorgeschmack was einen auf dem Rest der Reise erwarteten wird. So findet man einige Touristen, schlechte Strassen, zigarrenrauchende rumtrinkende Barbesucher, schöne alte Autos, wunderschöne alte Gebäude im historischem Zustand, familäre Unterkünfte und viel schlechtes Essen. Nach 2 Tagen waren wir gespannt ob sich diese ersten Eindrücke bestätigen werden und brachen auf in Richtung Havanna.
Havanna
Eigentlich meiden wir auf Radreisen ja jede grosse Stadt. Der viele Verkehr, die Enge und die Menschenmassen locken uns selten an. Havanna, da waren wir uns sofort einig sollte eine Ausnahme von dieser Regel darstellen. Auch hier würden uns Enge und Menschenmassen erwarten, aber immerhin dürfte der Verkehr sich in Grenzen halten, schliesslich hat nur jeder 10. Kubaner ein Auto. Etwa 1,5 Tage brauchten wir von Mantanzas bis in das historische Stadtzentrum von Havanna. Die Fahrt nach Havanna gestaltete erstaunlich leicht und fast schon radfahrerfreundlich. Nun zählen wir nicht zu den typischen Städtereisenden und treiben uns nicht tagelang in Museen herum, jagen der Stadtgeschichte nach oder suchen die angesagten Nachtclubs, wir lassen uns eher durch Städte treiben, gern auf dem Fahrrad und schauen uns Plätze, Menschen und das Leben der Stadt an. So planten wir 3 Nächte ein, was rücklblickend für viele Städtereisenden sicher zu kurz wäre. Havanna hat viel zu bieten und wir hatten ständig das Gefühl Havanna würde gerade erst als angesagte Haupstadt erwachen. Alleine deshalb lohnte sich der Besuch in jedem Fall.
Historische Altstadt
Die Vielfalt an schönen alten Gebäuden ist unfassbar und deuten den vergangenen Reichtum Havannas sicher nur an. Leider ist der Zustand über die Jahre an vielen Stellen mehr als bedenklich geworden. Viele Balkone werden mit Holzbalkenkonstruktionen gestützt, teilweise ganze Fassaden oder Toreingänge. Zum Glück hat dies auch ein Regierungsmitglied erkannt und mit seiner Idee, über Touristengelder die Sanierung zu finanzieren sehr guten Erfolg. Er gründete eine Organisation, staatlich natürlich, die sich um den Erhalt kümmert. So gibt es nun Cafes, Restaurants, Museen und Bars die in wunderschönen Häusern liegen und bereits saniert sind. Die Einnahmen aus diesen Einrichtungen fliessen wieder in neue Projekte zum Erhalt der historischen Altstadt. Ein Ziel dabei ist glücklicherweise auch, Wohnraum im historischem Kern zu erhalten, damit die soziale Struktur bestehen bleibt. Irgendwie klingt das nicht nach einem sozialistischem Staat, aber die Idee hat uns sehr gut gefallen und wir haben einges an Kaffeeumsatz dazu beigetragen.
Stadtrundfahrt
Wer nach Havanna reist kann natürlich in einem dieser roten Doppeldeckerbussen mit offenem Verdeck eine Stadtrundfahrt machen, muss er aber nicht. Wir wählten die Privatstadtrundafahrt in einem rosa amerikanischen Cabrio. Sicher war unsere Rundfahrt nicht die informativste, obwohl unserer Fahrer überzeugt war, er wäre der Beste unter den Fahrern und wir hätten eine richtig gute Wahl getroffen, aber klasse war sie dennoch. In diesem alten Chevrolet durch die Stadt zu cruisen, dies Vergnügen gibt es nur in Havanna und sollte nicht verpasst werden. Eine Stunde dauert die Tour, gesehen haben wir natürlich die Regierungsgebäude, den Friedhof, die amerikanische Botschaft, …. und natürlich den John Lennon Park. Warum gerade John Lennon es zu einem eigenem Park mit Skulptur in Havanna geschafft hat, wusste unser Fahrer leider nicht, war ihm auch nicht wichtig. Wir vermuten Fidel Castro selbst mochte John Lennon, immerhin erklärte Fidel John im Jahre 2000 zu einem Revolutionär. Das sollte doch für einen Park in Havanna reichen. Und da Kubaner immer sehen müssen wo das Geld herkommt, verleiht ein netter Kubaner John-Lennon-Brillen an der Skulptur an Touristen fürs entsprechende Foto.
Essen
Da Havanna scheinbar gerade erst erwacht, bildet sich auch erst sehr langsam eine gute und gelungene Restaurantscene. An wenigen Stellen der Stadt, vermutlich sowieso nur im historischen Teil, findet man offizielle Restaurants mit gutem und leckerem Essen, was bei den Einkaufsmöglichkeiten überhaupt schon an ein Wunder grenzt. Natürlich gibt es jede Menge Touristen-Restaurants, aber die sind weder schick noch lecker und bieten gerne alle die identische Speisekarte an, was absolut sinnvoll ist, wenn alle direkt nebeneinander liegen. Neben diesen neuen Restaurants dürfen Kubaner seit einiger Zeit auch private Küchen oder Restaurants anbieten. Die Anzahl der „Stühle“ ist staatlich begrenzt und relativ schwer zu finden sind sie auch. Am besten lässt „man“ sich finden, als wir suchten waren wir erfolglos. Schlendert man aber durch die Strassen und schaut etwas hungrig durch die Gegend ist die Hälfte schon erledigt. Auf der Strasse stehen dann die „Fänger“ und sprechen „Dich“ zielsicher an und zeigen Dir ein Bild vom Restaurant im oberen Stock, im Hinterhof in der eigenen Wohnung oder sonstwo. Gefällt einem das Bild und das angepriesene Menu, es gibt nämlich immer nur ein Menü mit den Geschmackrichtungen Huhn, Fisch, Langguste oder vegetarisch. Wobei in „unserem“ Restaurant das vegetarische grausam aussah. Kuba ist sicher kein Land für Vegetarier, ähnlich vieler anderer südamerikanischer Länder. Wir wählten Huhn und Fisch, damit wir das Risiko verteilten. Zur Vorspeise gab es einen Mojito (was sonst) und unsere Hauptspeise wurde direkt vor unserern Augen zubereitet. Zur Überraschung gab es nicht einen Fisch sondern drei, reichlich viel also, aber auch sehr lecker. Die Beilagen, irgendwelche Gemüse und Früchte zusammen gebraten und flambiert in Rum (was sonst), hätte Vladimir, unser Koch, gut weglassen können, die schmeckten eher verbrannt als lecker. Alles zusammen war das Essen gut und preiswert und wer nach Havanna kommt sollte sich ein solche private Küche nicht entgehen lassen.
In der Nacht vor der Abreise aus Havanna hatte Mieke extrem schlecht geschlafen, was sich am Morgen vor dem Frühstück durch einen heftigen Toilettengang deutlich erklärte. Schnell war klar an Abfahrt war nicht zu denken, Magen-Darm-Probleme schwächen enorm und Radfahren macht dann ohnehin keinen Spass. Beim Frühstück verlängerte ich unseren Aufenthalt um 1 Tag und hatten ein leckeres Frühstück für mich alleine. Nach dem Frühstück überlegte ich wo ich denn passende Lebensmittel für Miekes Zustand in Havanna finden könnte, also ein bisschen trockenes Brot, Wasser, vielleicht etwas Kola, ein paar Bananen und solche einfache Dinge. In Havanna können diese Zutaten schon zur kleinen Herausforderung werden. Kurz bevor ich aufbrechen wollte, kam das gesamte opulente Frühstück aus mir wieder heraus und landete im Klobecken. Schnell war klar, wir hatten beide Magen-Darm-Probleme, ich halt nur später. Der Tag über waren wir mit würgen und leiden beschäftigt. Am Ende brauchten wir 2 weitere Nächte um uns wieder reisefähig zu fühlen, viel mehr von Havanna haben wir aber nicht gesehen. Woran es gelegen hat wissen wir nicht, weil wir nichts Ungewöhnliches oder Verdächtiges am Tag vor dem Erbrechen zu uns nahmen. Aber manchmal reicht ja schon das Eis in einem Mojito, es wird ein Rätsel bleiben. Auf die gesamte Reise gesehen war es unser erstes Magen-Darm-Problem, bei 18 Monaten in der Welt unterwegs eine sehr gute Quote (wie wir finden), und wir haben wirklich häufig unvorsichtig einfach mitgegessen oder nicht geschält oder nicht abgekocht oder was auch immer es für Hygieneregeln für Reisen gibt. Trotzdem hätte es nicht sein müssen. Am 3. Morgen der unfreiwilligen Verlängerung ging es nun auch endlich los in Richtung Las Terrazas, einem oder besser dem Ökoresort in Kuba. Wir waren gespannt und freuten uns auf Natur und Radfahren.