Ausgang der Carretera Austral und ein Tandemwanderweg

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Eigentlich als wunderschöne Wanderwegsverbindung zwischen Chile und Argentinien angelegt, deshalb auch nur in den Sommermonaten (Nov.-März) geöffnet, machen sich auch viele Radwanderer diese Strecke zu nutze. Es wird geschoben, abgeladen, durch Flüsse gewatet und getragen, alles um die Carretera nicht bis Chile Chico zurückfahren zu müssen und die Ruta 40 auf der argentinischen Seite inklusiven den dort herrschenden irren Winden zu umgehen. Zudem lockt die Idee die argentinische Touristenhochburgen El Chaltén und El Calafate quasi durch die Hintertür zu betreten und die Autoströme mal für ein paar Tage aus zu sperren. 2 Schiffspassagen, über den Lago O’Higgins und den Lago del Desierto, runden den Trip ab, wobei die 1. Passage über den Lago O’Higgins noch mit dem Highlight des O’Higgins-Gletscherbesuchs ködert. Mehr Gründe brauchen wir nun wirklich nicht um von einer Strecke überzeugt zu werden.

Bevor wir diesen Trip angingen hörten wir verdammt viel über den Zustand und die zu befürchtenden Anstrengungen, vor allem mit unserem Tandem. Es ging von „kaum zu machen“ bis „es sollte eigentlich kein Problem sein“. Entsprechend gespannt waren wir. Um sicher zu sein bereiteten wir uns für die anstehenden 7,5 Std Boot, 22km Radstrecke, 30 Minuten Boot und nochmal 40km Radstrecke vor und schleppten Lebensmittel für 4 Tage mit. Wasser ist, wie auf der gesamten Carretera Austral, glücklicherweise kein Problem, sondern kommt überall aus den Bergen in leckerster Trinkwasserqualität heraus. Da das Schiff von Villa O’Higgins nicht täglich fährt, klein und gut ausgebucht ist, mussten wir 3 Tage im schönen El Mosco verbringen und auf die Abreise warten. Das El Mosco scheint unter Radfahrern und Wanderern irgendwie bekannt zu sein, obwohl Villa O’Higgings diverse Möglichkeiten bietet, stranden hier fast alle. Eine prima Gelegenheit gemeinsam mit den Netten zu kochen, sich aus zu tauschen und Biere zu trinken. Leider gibt es auch die Anderen, aber geteiltes Leid……

Bilderbuchbilder

Villa O'Higgins FahrradNach erholsamen Tagen hiess es, der Wecker klingelt um 6:00 Uhr, 6:15 Uhr aus dem Schlafsack, Abfahrt um 7:00 Uhr (dazwischen irgendwo Zelt abbauen, Sachen packen + Frühstück), damit wir die 7 km Piste bis zum Hafen entspannt zurücklegen konnten. Daraus wurde 6:00 Uhr Wecker, 6:20 aus dem Schlafsack, 6:35 Frühstück, ab 6:50 bis 7:25 Uhr Abschied. Zelt und Sachen packen hektisch dazwischen. Wir kamen zwar doch noch rechtzeitig aber etwas unentspannt beim Schiff an. Von nun an begann ein wunderbarer Tag, mit schöner Bootstour über den Lago O’Higgins, toller Gletscherschau mit Whiskey mit Gletschereis und bestem Wetter.

Bei Ankunft in Candelario Mancilla entschieden wir uns, uns noch auf den Weg zu machen. Die kommenden 22 km sollten anstrengend werden, vor allem mit dem schweren Tandem. Zunächst ging es über die Grenze (aus Chile heraus) und recht steil ein paar hundert Meter hinauf. Der lose Schotter zwang uns in den Schiebemodus. Oben angelangt konnten wir gut radeln. Die Landschaft war wunderbar und wir vergassen ein bisschen die Zeit. Etwa 6 km vor dem Lago del Desierto (wahre Grenze zwischen Chile und ArgentinieTandem Rohloffn) wechselte der fahrbare Weg in einen schmalen Wanderweg. Mit dem Tandem definitiv nicht mehr fahrbar. Es ging immer mehr durch Wald und Gestrüpp. Irgendwann wurde es dann dunkel und ein zeltbarer Platz war nicht in Sicht. So mussten die Stirnlampen herhalten. Gegen 22:00 Uhr fanden wir endlich in kompletter Dunkelheit einen Platz. Wenn man es genau nimmt, mitten auf dem Wanderweg.

Am nächsten Tag benötigten wir bei schönstem Sonnenstrahlen etwa 1 Stunde für die ersten 800 m. Die Strecke bestand aus Wurzeln, dicken Steinen, Bachdurchquerungen, Schlammlöchern, stacheligen Büschen und sehr steilen (wenn auch sehr kurzen) Passagen. Wir mussten das Tandem schieben, die Taschen tragen, den Anhänger (Bob) abbauen + selber ziehen und wieder anbauen, Wege mehrfach laufen, nach einem gewaltigem Schlammloch das Tandem „waschen“ (damit es schiebbar bleibt) und überhaupt erstmal durchkommen. Im Grunde ist es eine gewisse Schinderei, die uns aber verdammt viel Spass gemacht hat.

Fitz Roy mit dem radGegen 16:00 Uhr erreichten wir den Grenzübergang nach Argentinien, fantastisch gelegen am Lage del Desierto. Pünktlich um 17:00 Uhr kam das Schiff zum Übersetzen, wir entschieden uns allerdings zum Bleiben. Das Wetter und die Lage, der Grenzstation (an der wir campen durften) mit Blick auf den Fitz Roy waren einfach zu schön um schon wieder weiter zu ziehen. Um 11:00 Uhr am nächsten Morgen sollte das nächste Boot kommen. Nein, reservieren bräuchten wir nicht, es wäre nicht voll.

Am nächsten Morgen nieselte es und wir standen pünktlich und sehr unsüdamerikanisch um 10:30 Uhr bereit zur Abreise. Nur, kein Boot in Sicht. Auf Nachfrage bei der Grenzpolizisten kam die Frage nach unserer Reservierung. Nein, die hätten wir nicht. Na, dann wären wohl keine Fahrgäste am anderen Ende des Lago da und fuhr das Boot erst wieder um 17:00 Uhr! Warum dann mittags ein Ausflugsbötchen mit Touristen kam, etwa 15 Minuten Aufenthalt an der Grenzstation gewährte, dann wieder zurück fuhr und uns glücklicherweise mitnahm verstehen wir bis heute nicht ganz. Das Gute daran, wir kamen über den See und zu einer verträglichen Zeit in Mancilla an. Nun galt es noch etwa 40 km auf guter Piste bis nach El Chaltén zu radeln.

Videobeweis

Schon vor der Bundesliga haben wir den Videobeweis eingeführt. Wahrscheinlich oscarverdächtig, Spass gemacht hat es uns in jedem Fall. Zeit hat es viel gekostet, wir sind zufrieden, haben (vornehmlich für uns) eine unlöschbare Erinnerung an diese Strecke und vielleicht eine anschaulichere Doku über diese Strecke.

El Chaltén

Fitz Roy per FahrradAm 3. Tag nachdem wir in Villa O’Higgins gestartet waren erreichten wir El Chaltén. Dieser kleine Ort strahlt in einem gewissen Bergsteiger-Character. El Chaltén dient vielen als Basis für Wanderungen und Bergbesteigungen rund herum um die „Magneten“ Fitz Roy und Cerro Torre. Es wirkt, als wären hier alle Leistungstufen vertreten vom beinahe fusslahmen Tagesspaziergänger bis hin zum Extrem-Kletterer.

In jedem Fall ist El Chaltén viel besser auf die touristischen Ströme eingerichtet als alle Dörfer auf der Carretera zusammen. Hier gibt es viele Unterkünfte, nette Cafés, gute Restaurants, freundliche serviceorientierte Bedienungen in allen Einrichtungen und gut sortierte Supermärkte. Quasi all das was auf der Carretera vermisst wird. Gepaart mit schönem Wetter ist ein Aufenthalt in El Chaltén wahrlich sehr schön und angenehm. Ausserdem ist es nicht zu gross um viele der netten „Weggefährten“ aus O’Higgins und der Carretera Austral frisch geduscht bei einem Kaffee wieder zu treffen.

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