Das Dach der Welt

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So ist das, gibt man uns einige Tage Zeit die weitere Reise zu planen, kann genau das passieren. Bevor wir in Lanzhou ankamen, waren wir entschlossen der Seidenstrasse zu folgen und China irgendwo im Nordwesten, entweder nach Kirgistan oder in die Mongolei, zu verlassen. 3 Tage später sah die Welt schon wieder anders aus. Während wir auf das Visum warteten entstand in uns die Frage, was eigentlich mit Tibet ist. Lassen wir Tibet ganz aus oder nicht? Tibet übte auf uns auch eine Faszinierung aus. Eigentlich wäre es schön auch Tibet zu besuchen. Von Tibet sind die grössten Teile für Reisende wie uns gesperrt, Einlass wird nur mit gesondertem „Visa“ und innerhalb einer organisierten Reisegruppe gewährt. Das ist eigentlich nichts für uns und wenn China uns dort nicht sehen will, dann halt nicht. Bei der Übernahme Tibets hat China aber einige Teile, des eigentlichen tibetischen Gebietes, anderen Provinzen zugesprochen. So liegt ein schöner Teil des alten Tibets in der Provinz Sichuan. Das Gebiet ist ausreichend gross und wir entschieden uns für einen Besuch  dieses Teils Tibets und fassten die Strecke OLYMPUS DIGITAL CAMERAChengdu – Wenchuan – Lixian – Jinchuan – Danba – Tagongxian – Litang – Xiangcheng – Deqen – Lijiang – Dali ins Auge. Um ausreichend Zeit zu haben, nahmen wir den Zug von Lanzhou nach Chengdu. 24 Stunden dauerte die Fahrt, wir hatten (zum Glück) einen „Soft Sleeper“-Platz gewählt, das ist so eine Art 1.Klasse mit Bett und wirklich sehr entspannt. Gegen 10 Uhr am Vormittag kamen wir in Chengdu an und konnten auch das Tandem am Bahnhof direkt in Empfang nehmen (das hatten wir vorher von Lanzhou aus vorgeschickt). Leider verloren wir auf der Zugfahrt etwa 1000 Höhenmeter und landeten auf etwa 700m Höhe. Höhe die wir im tibetischem Gebiet noch gut gebrauchen könnten.

Nach dem Frühstück in Chengdu machten wir uns auf den Weg. Die ersten etwa 80km versprachen noch entspanntes Radeln durch eine flache Ebene, erst danach sollte es in die Berge gehen. Was uns aber tatsächlich erwarten würde war uns nicht hundertprozentig klar, unsere Karten, Google-Maps und diverse Internetquellen hatten da durchaus unterschiedliche Meinungen. So war beim Start nicht mal ganz sicher, ob unsere ausgedachte Strecke tatsächlich fahrbar wäre. Auch wieviele Pässe und welche Höhe die genau haben würden, war nicht gut zu klären. Das zwang uns unsere Zeitplanung etwas vorsichtiger als normal zu gestalten. Unser Visum hat ein fixes Endedatum und konnte auch nicht mehr verlängert werden. Immerhin stimmte die Anfangsinfo, die ersten knapp 80km waren recht flach, erst danach ging es hinauf.

Erdbebengebiet von 2008

Am 2 Tag fuhren wir einen Fluss entlang, langsam aber stetig ging es bergauf, gut fahrbar und mit überraschend wenig Verkehr auf der Strasse. Irgendwann mischten sich immer wieder Baustellen und Ruinen am Strassenrand in unsere Strecke. Dann fehlte plötzlich eine ganze Brücke über einen Fluss und wir mussten auf die Autobahn ausweichen. Kurz danach fehlte eine 2. Brücke und wir fingen doch an uns zu wundern, als dann ein Schild mit dem Datum 12.05.2008 auftauchte. Es fing an zu dämmern, 2008 da war doch was. Bei den Bildern die sich hier boten muss das schwere Erdbeben in China in dieser Region gewesen sein. Abends bestätigten sich unsere Vermutungen. Am 12.05.2008 gab es ein schweres Erdbeben mit dem Epizentrum nordwestlich von Chengdu. Genau dort fuhren wir durch. Gut 7 Jahre war das Erdbeben nun her und die Auswirkungen noch so gut zu erkennen. Das erstaunte uns. Natürlich sind die Chinesen intensiv dabei alles wieder herzustellen, aber es wird noch einige Zeit brauchen.

Erste Zeichen

Nachdem wir das Erdbebengebiet hinter uns gelassen hatten, sendete Tibet immer deutlichere Zeichen. Der Baustil der Häuser änderte sich, die ersten Gebetsfahnen tauchten auf und die Bekleidung der Menschen wurde immer traditioneller. Sicherlich ist dieser traditionelle Bekleidungsstil teilweise auch demTourismus geschuldet, schön anzuschauen ist er dennoch. Allerdings wurde auch die „Staaatsmacht“ scheinbar nervöser. Deutlich häufiger als in unserer bisherigen Chinareise wurden wir nun durch die Polizei kontrolliert. Was genau kontrolliert wurde, ist uns nicht klar. In jedem Fall mussten wir unser Reisepässe zeigen, dann wurde entweder heftig abgeschrieben oder fotokopiert oder einach hineingestaunt. Diese Kontrollen waren nie irgendwie „schlimm“ und die Polizisten immer absolut freundlich, nur kosten sie doch immer viel Zeit und nervten ein bisschen. Ausmalen wie solche Kontrollen ablaufen, wenn deutsche Polizisten diese durchführen würden, möchten wir uns allerdings auch nicht.

Tempel

Je weiter wir uns in die Berge und in Tibet hineinarbeiteten umso mehr kleine und mittelgrosse Tempel begegneten uns. Wir konnten definitiv nicht jeden ansehen oder besuchen. Doch dieser machte durch eine mit Gebetsfahnen überladene Brücke auf sich aufmerksam. Der Tempel war von der Strasse aus kaum zu sehen, nur die Brücke lockte uns. Wir mussten einfach mal über diese Brücke radeln und ein paar Bilder machen. Kaum hatten wir die andere Flussseite erreicht, standen wir quasi vor der intensiv roten Wand des Tempels, ein Besuch war jetzt unausweichlich. Als wir zurückhaltend den Innenhof betraten, entdeckte uns ein Mönch und lud uns ein hereinzukommen. Sein Versuch uns viel über den Tempel zu erklären, scheitertete leider „kläglich“ an der Sprachbarriere. Hier konnte nichtmal mehr „Google-Translate“ helfen. Der Mönch sprach nur tibetisch und das gab es in Google nicht. Trotzdem führte er uns herum und versuchte uns viel zu erklären, auf tibetisch. Verstanden haben wir sehr wenig, der Besuch war trotzdem sehr interessant und beeindruckend.

Bergauf

Tibet liegt durchschnittlich auf einer Höhe von über 4000m und wird nicht grundlos das „Dach der Welt“ genannt. So wundert es nicht, wir mussten teilweise kräftig bergauf fahren. In Chengdu sind wir auf etwa 700m gestartet und hatten am 3. Tag die 2000er Marke überschritten. Natürlich ging es nicht nur bergauf, sondern auch immer wieder schön hinunter. Fahren auf einer flachen Strasse war seit Chengdu vorbei. Wenn es nicht rauf ging, ging es runter. Dazwischen gab es nichts. Auch vor der 3000er Grenze machten wir keinen Halt und konnten sogar schon an der 4000er Marke schnuppern, vorerst. Die Anstiege waren meist gut fahrbar und selten richtig steil. Die ersten Yaks tauchten auf, so ab etwa 3400m verschwinden die Kühe und werden zu Yaks. In unserer Erwartung waren die Yaks allerdings grösser als sie tatsächlich sind. Der Gang der Yaks erinnert uns mehr an Ziegen als an Kühe, was wahrscheinlich einfach darin begründet liegt, das die Yaks erstaunlich gute Kletterer sind und an unfassbar steilen Hängen nach frischem Gras suchen. Leider sind sie etwas schüchtern.

OLYMPUS DIGITAL CAMERAAuf etwa 3700m erreichten wir Tagong, eine altes tibetischen Städtchen mit einem grossen Tempel. Die Stadt scheint sehr bekannt und es sind irre viele chinesiche Touristen am Tempel, wir ersparten uns den Besuch des Tempels und überliessen ihn den anderen Touristen. Stattdessen genossen wir die alte Stadt in einem netten Cafe am „Marktplatz“. Hinter Tagong ging es in einer langgezogenen Abfahrt wieder auf 3300m ins Tal hinunter. Unten angekommen, sprach uns ein Tibeter plötzlich auf Deutsch an und lud uns zum Tee ein. Eine Einladung die wir nicht ablehnen konnten, zu gross war die Neugier woher ein so gutes Deutsch hier in Tibet kommt. Es stellte sich heraus, der Mann ist mit einer Schweizerin verheiratet, lebte 8 Jahre in der Schweiz und betreibt jetzt mit seiner Familie  ein schickes Gästehaus hier in Tibet. Die ganze Familie war super nett, deren Haus wunderschön; eigentlich sprach alles dafür auch die Nacht dort zu bleiben, schliesslich ist es auch ein Gästehaus. Leider gibt es in China aber diesen Visumszeitdruck, und wir hatten noch einige schwere Etappen vor uns. So entschieden wir uns doch lieber noch ein paar Kilometer zu radeln. Allerdings hatten die 3 auch noch einen tollen Tipp für uns parat. In unserem Zielort sollte es auch ein nettes Gästehaus geben das uns sicher gefallen würde. Diesen Tipp nutzten wir und kehrten so, gute 30 Kilometer später, bei einer netten älteren Dame und ihren Enkeln ein. Die Eltern der Kindern waren oben auf dem Berg zum Yak hüten und würden erst nach der Saison zurückkommen. In dieser Zeit führte die „Oma“ allein mit ihren Enkeln das Gästehaus. Es war ein total netter Abend, mit leckerem Essen, tibetischen Hausaufgaben und lustigen Spielideen der Kinder, also mit Familienanschluss quasi. Am nächsten Morgen wurden wir um 6:30 Uhr geweckt, was sehr gut, uns aber eigentlich zu früh, war, denn der erste 4000er wartete auf uns. Das Frühstück bestand aus Tee mit Butter, guten „Knack&Back“-Brötchen und einer art Käse in der Konsistenz von Hühnerfleisch.  Ob das für die Anstrengungen des Tages eine gute Grundlage war, sollte sich herausstellen. Das klären wir aber im nächsten Blog-Eintrag.

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